Meine Traumschule

Meine TraumschuleMeine Traumschule besteht nicht nur aus einem Schulgebäude. Aber ein Gebäude gehört auch dazu. An dessen Eingangstür steht aber nicht “Schule”, sondern “Träumwerkstatt” oder “Zukunftshaus”. Hierhin kommen alle Menschen, die an ihren Lebensorten keine Zeit oder keine Möglichkeit zum Träumen und zum Sich-Gedanken-über-die-Zukunft-machen haben.

So ein Haus steht in einem großen Garten, in dem sich auch Tiere wohlfühlen. Biologie kann man da lernen, indem man z. B. auf die Bäume klettert und nicht nur, indem man in Bücher stiert. Autos dürfen bis auf einen Umkreis von mindestens zwei Kilometern nicht in die Nähe des Hauses. Alles, was nicht über Fahrräder hintransportiert werden kann, wird mit Pferde- oder Eselswagen gebracht. Das Gelände ist von allen Seiten gut mit U-, S- oder Straßenbahnen zu erreichen. An den Stationen besteht die Möglichkeit, Dreiräder, Roller, Skatebords, Fahrräder und Pferdewagen auszuleihen. Damit müssen alle so langsam fahren, daß sie vor den neugierig herumkrabbelnden Babies oder den bedächtig schlürfenden Omas und Opas rechtzeitig bremsen können.

Mein Traumhaus ist zu allen Zeiten (nicht nur am Vormittag oder am Nachmittag) für alle offen. Die wichtigsten Regeln hier heißen: Die Träumenden darf niemand stören. Niemand darf sie ausschimpfen, dass sie faul sind. Niemand darf eine, die träumt, antreiben und verlangen, dass sie etwas ‘Vernünftigeres” machen soll. Niemand darf vorschreiben, was man träumen soll.

Hier gibt es viele Räume und Orte, die für jeden zugänglich sind – die gefährlichen mit Helfern – und Leute, die sich auf unterschiedlichsten Gebieten sehr gut auskennen und ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten anbieten, z. B. im Spielen, in allen Künsten, Gewerken, den Sprachen, der Technik, den Wissenschaften oder auch nur im Hilfsbereit- und Zärtlichsein (“Vielleicht kann ich dich trösten”).

In meiner Traumschule gibt es keine Zensuren für gutes oder schlechtes Neugierigsein, weil es das ja gar nicht gibt. Lob oder Tadel fallen so aus: Wenn z. B. eine Gruppe nicht so gut Theater spielt wie die andere, stehen die Zuschauer einfach auf und sehen sich die andere an. Dann entschließt sich die eine Gruppe, noch mehr zu üben oder etwas anderes zu machen. Manche bekommen dann Lust, selbst etwas aufzuführen. Sie werden vielleicht merken, dass es gut ist, wenn man dazu lesen kann und werden lesen lernen.

Es gibt hier auch keine Lehrer wie üblich, die meistens ja nur ein bisschen von einem großen Gebiet wissen und doch so tun müssen, als ob sie es ganz genau wissen, damit sie ihre Autorität nicht verlieren. Erwachsene haben im Zukunftshaus den Eindruck, dass sie auch von Ängsten, Hoffnungen und Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen viel lernen können. Fähigkeiten werden nicht aufgedrängelt, sondern abgeguckt. Jeder ist mal Lehrer und jeder ist mal Schüler. Deshalb spielt das Alter hier überhaupt keine Rolle.

Gern kommen die, die sehr neugierig sind und viele Träume haben. Das werden erstmal vor allem Kinder sein. Weil sie hier in ihrer Neugier und beim Träumen und Forschen nicht damit gebremst weiden. dass sie nicht ruhig genug, noch zu klein oder schon zu groß für etwas sind, dass jetzt gerade etwas dran ist, was sie gar nicht gern machen oder dass keine Zeit zum Beenden einer Sache ist, deshalb kommen sie lieber in meine Traumschule als in die normale Schule.

Kinder und Erwachsene können auf meinem Träumgelände auch länger wohnen in gemeinsamen oder getrennten Räumen, Hütten, Zelten oder einfach im Freien. Weil ihre Kinder hier gern und viel lernen und aus ihnen wichtige Leute werden, schämen sich die Eltern nicht mehr, dass ihre Kinder nicht bei ihnen, sondern in der Träumwerkstatt leben wollen. Viele Eltern haben Lust, das selbst einmal auszuprobieren.

Eine wichtige Einrichtung sind “Runde Tische” (Plena), an denen die Probleme und Regeln, die alle verstehen können, für das Zusammensein besprochen und festgelegt werden. Alle, die mitentscheiden wollen, was Neues gebaut oder angeschafft wird, die sich über etwas geärgert haben, die etwas verändern wollen, werden hierher kommen, um mitzustreiten und sich auch darum kümmern, dass etwas dabei herauskommt.Dabei finden sich Leute zusammen, die sich mögen, die ähnliche Gedanken haben Niemand wird hier gezwungen, mit Menschen zusammenzusein, die er nicht mag.Meinungen sagen, Meinungen anhören, Kritik austeilen und ertragen – dazu gehört Selbstbewusstsein. Das ist viel schwieriger als Vorschriften einzuhalten. So lernen alle, Politik zu machen, die Interessen voneinander anzuhören und alles so zusammenzufügen, dass niemand und keine das Gefühl hat, immer benachteiligt zu sein. Immermal tritt jemand anderes für sich und alle ein. Politiker wie üblich als Stellvertreter zum Lösen von Problemen, die gar nicht ihre eigenen sind, sind überflüssig.

So wie sie es in meiner Traumschule tun, möchten dann viele auch im normalen Leben leben: Sie, besonders viele Kinder, wollen in alle öffentlichen und nichtöffentlichen Einrichtungen, Krankenhäuser, Institute, Werkstätten, Geschäfte, Büros und was man sonst noch alles braucht, hineingehen und lernen und mitarbeiten und darüber mehr studieren, wenn es ihnen sehr gut gefällt.

Weil die Menschen wissen, wie es gehen kann, fordern sie vom Staat, dass auch die Zeit für die Arbeiter und Angestellten bezahlt wird, die diese sich nehmen, um den Wissbegierigen alles zu erklären. Von den üblichen Lehrern braucht man dann immer weniger auszubilden und zu bezahlen. Viele freuen sich, wenn ihre Erfahrungen geachtet werden und erklären gern, wovon sie viel verstehen. Ihnen macht auch die Arbeit gleich viel mehr Spaß. Sie werden nicht so häufig krank und die Gesellschaft spart viel Geld, das in den Ausbau meiner Traumschule gesteckt werden kann. Die Menschen werden als Fachleute geachtet und es gibt keinen Unterschied, ob sie jung oder alt sind, helle oder dunkle Hautfarbe, einen Pass oder keinen haben, laufen oder im Rollstuhl sitzen.

Sie fordern vom Staat auch, dass alle, auch Kinder und Jugendliche, Geld verdienen, wohnen, lernen, ausspannen und mitbestimmen können, wo sie wollen. Immer weniger wollen dann nur für gute Zensuren oder Geld arbeiten. Immer mehr Menschen achten genau darauf, ob sie Teile für Kinderwagen oder für Maschinengewehre herstellen oder damit handeln.

Diese Menschen sind aufmerksam, wenn andere Menschen unterdrückt werden. Sie wissen inzwischen, dass ihr Leben ein Teil der Natur, ein Teil alles Lebens und aller Materie auf unserer Erde ist. Sie achten nicht mehr vor allem das, was sie in ihren Besitz bringen können, sondern vor allem das, womit sie anderen und sich Freude bringen können. Sie verachten alle, die aus Machtstreben Schwächere und die Natur unterdrücken und zerstören wollen. Gegen deren Handeln kämpfen sie heftig. Das haben sie im Zukunftshaus oder in der Träumwerkstatt gelernt.