Das Einzelkind

Von einem Einzelkind sagt man, dass es erfolgreich in Familie und Beruf ist. Seine Kindheit und Jugenderlebnisse unterscheiden sich von den Erfahrungen jener Kinder, die aus kinderreichen Familien stammen. Das Einzelkind steht immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seiner Eltern. Kein jüngerer Bruder und keine jüngere Schwester gefährden seine Vorrangstellung. Es braucht sein Zimmer, Essen, sein Spielzeug, Süßigkeiten, Bücher und andere Gegenstände mit niemandem zu teilen. Es bekommt die ganze Liebe und Fürsorge, die seine Eltern zu bieten haben. Demzufolge wird das Einzelkind meist egoistisch und ist entweder zu selbstsicher oder zu schüchtern. Im ersten Fall glauben gewöhnlich die Eltern an seine Fähigkeiten, sie loben es für kleine Erfolge und belohnen für gute Taten. Deshalb wird es egozentrisch und eingebildet und oft auch geldgierig. Im zweiten Fall unterschätzen die Eltern die Fähigkeiten und Begabungen ihres Kindes und kritisieren seine Forderungen nach Unabhängigkeit. Deshalb ist ein solches Einzelkind nicht von sich selbst überzeugt. Es ist bestimmt besser, mindestens einen Bruder oder eine Schwester zu haben. Man kann Geheimnisse mit ihnen teilen. Außerdem kann man sich auch besser verstehen, da man ja gemeinsame Probleme hat. Man kann sich auf seine / ihre Hilfe und seinen / ihren Ratschlag verlassen. Das Einzelkind fühlt sich bestimmt oft einsam, weil seine Eltern beschäftigt oder müde sind und keine Zeit mit ihm verbringen können, während seine Freunde mit ihren Geschwistern spielen. Das Einzelkind erfreut sich vieler Sonderrechte und Vergünstigungen. Es bekommt bei jeder Gelegenheit Taschengeld und Geschenke. Sein Start ins Leben der Erwachsenen scheint leichter zu sein, wenn man den Wohlstand, die Bequemlichkeit und sein Lebensniveau berücksichtigt. Vom Standpunkt der Reife aus gesehen, ist sein Start jedoch schwieriger, weil das Einzelkind später als Gleichaltrige mit Geschwistern unabhängig wird. Manchmal ist es nicht einmal imstande, einfache Probleme auf der Arbeit zu lösen, denn seine Eltern haben ja bisher alles für ihr Kind getan und ihm den Weg geebnet.

Verantwortungsvolle Eltern sollten sich dessen bewusst sein, dass die Familie die erste kleine Gesellschaftseinheit ist, in der sich die Persönlichkeit des Kindes entwickelt. Wenn es in der Familie mehr als drei Personen (Eltern und ein Kind) gibt, lernen die Kinder auf natürliche und einfache Weise kennen, wie man alltägliche Probleme lösen und Kompromisse erreichen kann. Solche Kinder lernen andere Menschen verstehen und lieben. Es ist schwieriger, ein Einzelkind zu erziehen, weil die Bedingungen, unter denen man dem Kind beibringen soll, wie es in der Gesellschaft zu leben hat, eher künstlich sind. In Büchern, Bildungsfilmen und in therapeutischen Sitzungen beweisen die Psychologen, dass kinderreiche Familien eine psychologisch bessere und gesündere Umgebung für die Entwicklung der Kinder darstellen. Die Bemühungen der Eltern bei der Kindererziehung werden belohnt, wenn die Kinder erwachsen werden. Wenn die Eltern dann schon alt sind, wird sie keines der Kinder vergessen. Aus der Schar der Kinder bleiben mindestens ein oder zwei, die ihren Eltern immer helfen werden.